Bei unserer Geburt sind wir häufig „auf den Kopf“ gestellt. Der Kopf kommt zuerst hinein in diese Welt. Und dann kommt die Aufgabe für das junge Menschlein, auf die Füße zu kommen und sich auf die eigenen Füße zu stellen. Mit den Füßen kommt die Bewegung ins Leben. Be – weg- ung. Nicht umsonst fragen wir, manchmal ohne dabei der Bedeutung bewußt zu sein: Wie geht es? Das „ES“ steht für die Verbindung zur Seele, zur inneren Führung. Unsere Füße sind vielleicht der spirituellste Teil unseres Körpers. Die Füße stellen die Verbindung von Kopf zur Erde und der Kraftquelle der „Mutter Erde“ dar. Sie sind Sinnes-Organe. In dem Buch von Clarissa Pinkola Estès „Die Wolfsfrau“ wird die Geschichte einer Indianerin erzählt. Diese Indianerin verglich das Gefühl, als sie ihre ersten Schuhe trug, mit einer Augenbinde. Ihre Füße fühlten sich durch die Schuhe wie blind.

Was wir sehen, nehmen wir für wahrer als das, was wir über unseren Bodenkontakt fühlen, oder fühlen könnten. Und ist wirklich alles wahr, was uns über das Gehen beigebracht wurde? Erinnern Sie sich daran, wie Sie als kleines Kind gegangen sind? Wenn Sie etwas entdecken wollten oder etwas die Aufmerksamkeit angezogen hat? Haben Sie die Schuhe angezogen und sind losmarschiert? Oder eher ganz schnell auf Zehenspitzen losgetrippelt? Und wie hat sich der Boden angefühlt?

 

Schauen wir uns unsere heutigen Schuhe mal genauer an. Das Material vieler Schuhe hat sich verändert. Weg vom Leder hin zu Plastik im Bereich der Sohlen. Und über den Sohlen gibt es dann Memory Foam und andere dämpfende Materialen, die zum Ziel haben, die Sohlen der Füße abzuschirmen. Abzuschirmen vor dem harten Untergrund, Steine, Glasscherben. Das ist die eine Seite. Doch der Schirm schirmt noch anderes ab. Der Austausch der Energie zwischen Fußsohle und Muttererde wird vermindert oder auch ganz unterbunden. Wir verlieren den Boden unter den Füßen. Um in die Luft zu springen, braucht es die Kraftquelle aus der Erde. Die Beweglichkeit der Füße, der Gelenke, der Sehnen, der Muskeln begründet die Sprungkraft. Gut gebaute und flexible Füße geben Standfestigkeit und gleichzeitig Flexibilität. Erdung und Grownding für das Selbst-Bewußtsein und die Durchsetzungskraft.

 

Unsere Umgangs-Sprache weist auf diesen Zusammenhang hin:

Wie kann ich diese Situation durchstehen? Ich komme Ihnen hier entgegen! Kannst du deine Behauptung auch begründen? Wie ist sein Zustand? Ich habe dich nicht richtig verstanden! Und natürlich das Wort Verständnis und Verständigung!

 

Es ist Sommer! Wie wäre es da mit einem Abenteuer? Ein kostenloser Besuch im Abenteuerland, das den Namen FREIHEIT trägt. Freiheit für die Füße. Ziehen Sie einfach Ihre Schuhe aus und ….. gehen Sie ohne sie barfuß nach Hause. ABENTEUER pur! Uhhh! Wie laut sind jetzt die Stimmen in Ihrem Kopf? Kommt da Widerstand? Na ja, heute Abend gehe ich mal zu einer Wiese und da gewähre ich dann meinen Füßen Auslauf. Im Prinzip ist Barfußgehen schon gut, und ich könnte das auch mehr machen. Doch nicht jetzt! Was sollen denn die Leute denken. Ich lass mich doch nicht davon abhalten, was andere denken. Aber der Boden ist doch zu kalt und ich könnte mich verletzen. Also, spätestens am Wochenende da gehe ich barfuß!“.

 

„Eine Menschheit, die in Schuhen herumlaufen gelernt hat, hat ihr Denken anders orientiert, als sie es getan hätte, wenn sie barfuß geblieben wäre.“ (Umberto Eco, Schriftsteller)

 

Ok. Ein kleines Experiment geht doch jetzt! Stehen Sie bitte auf, stecken Sie in beide Ohren Ihre Zeigefinger und gehen so ein paar Schritte. Ganz normal, so wie Sie immer gehen. Vielleicht gehen Sie mal eben zur Toilette oder zur Zimmertür und zurück (MIT DEN Fingern in Ihren Ohren). Was hören Sie bei jedem Schritt? Wie laut dröhnt es durch Ihren Körper jedes Mal, wenn Sie mit der Ferse auftreten?

Ganz schön heftig die Erschütterung, die bei jedem Schritt von den Füßen bis zu ihrem Kopf durchläuft.

Der normale Gang zeichnet sich dadurch aus, dass wir die Ferse als erstes auf den Boden aufsetzen. Fersengang. Deshalb finden wir im Freizeit-Schuhangebot soviele an der Ferse abgepolsterte Variationen und seit neuestem auch bei High Heels die sogenannten Schockdämpfer für die hohen Absätze.

 

Das kleine Experiment geht in die zweite Runde. Machen Sie den gleichen Weg, auch mit den Zeigefingern in Ihren Ohren. Diesmal treten Sie zuerst mit Ihren Ballen auf und lassen dann erst die Ferse zu Boden gleiten. (Wenn Ihnen das schwerfällt, gehen Sie als Zwischenversion rückwärts. Beim Rückwärtsgehen bewegen Sie sich im Ballengang und dann übertragen Sie diesen Ablauf in die Vorwärtsbewegung).

Was hören Sie dabei? Wenig oder gar nichts? Kein Wunder, Sie sind auf leisen Sohlen unterwegs.

 

Was ist nun besser und natürlicher? Da streiten sich die Gelehrten. Bis vor einigen Jahren gab es da bei unseren Experten nur eins: Marschieren, der Fersengang ist das einzig wahre Fortbewegungsmittel. Dann kamen Stimmen auf, die den Ballengang als ursprünglichen Gang in den Vordergrund rückten. Es erscheint mir immer einschränkend, nur eine Möglichkeit als richtig zu deklarieren. Die Natur hat beide Varianten entwickelt. Und jede hat für sich ihre Anwendungsmöglichkeit. Schwierig wird es immer dann, wenn wir uns einschränken.

Befreien Sie Ihre Füße und betreten das Abenteuer Barfußland häufiger, doch immer nur in dem Maße, wie Sie sich dabei wohl-fühlen. Alles Neue braucht Zeit, um sich daran zu gewöhnen.

 

„Schon im Wort Müßiggang liegt Weisheit,

denn echte Muße gibt es nur beim Gehen.“ (Carl Zuckmayer)