Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch! Jemand ist dann im wahrsten Wortsinn „scharf“sinnig bezogen auf seinen Wahrnehmungskanal OHR. Früher sicherte diese Scharfsinnigkeit das Überleben. Wenn das Gras raschelte, eventuell Raubtier im Anmarsch oder ein Stammesfeind. Die Evolution hatte die Entwicklung von Ohrhörern zu Smartphones oder MP3-Playern nicht vorgesehen, genausowenig wie Motorradheulen, elektrische Heckenscheren, Rasenmäher, Blätterzusammenpuster, Flugzeuglärm, Autolärm und ganz vieles mehr.
Unsere Ohren erfüllen drei Funktionen:
1) sie dienen als Kommunikations- und als Orientierungsmittel und sind von der Natur optimal auf den Frequenzbereich unserer Stimme eingerichtet. Wir könnnen Töne bis 20000 Hertz wahrnehmen. Z. B. Kaninchen haben deutlich besser bewegliche Ohren als wir. Sie erkennen Töne im Frequenzbereich bis 33000 Hertz und nehmen auch im Ultraschallbereich wahr. Kaninchen kommunizieren auch über die Ohrbewegung. Stellt ein Kaninchen seine Ohren flach nach hinten und drückt den Kopf auf den Boden,heißt dieses Signal: Ich unterwerfe mich. Über hochaufgestellte, in verschiedene Richtungen drehbare Ohren ortet das Kaninchen die Geräuschquelle. Menschen, die ihre Ohren sichtbar bewegen, sind doch eher selten. Die Evolution hat unser Ohr anders anatomisch angepaßt.
2) Unser Gleichgewichtsorgan liegt in unseren Ohren.
3) Die Verarbeitung der wahrgenommenen Geräusche ist eng mit unseren Gefühlen verbunden. Sehr sinnvoll für unser Überleben, zumindest früher. Gut gebrüllt Löwe! hieß auf unserer Gefühlsebene: ANGST und löste die schützende Handlung auf unserer Bewegungsebene aus.
Die meisten Ohren sind heute in einem Dauerstreß. Zum Gras- wachsen-hören kommt man da überhaupt nicht. Wenn man z.B. unter der Flugschneise wohnt und alle 3 Minuten ein Flugzeug landet oder startet.
Manche Beschallung geht auch an die „Nieren“ oder schläft auf den Magen, wenn man da auf die tägliche Info-Lawine schaut. : „Wer zu hören versteht, hört die Wahrheit heraus, wer nicht zu hören versteht, hört nur Lärm“. Alte Weisheit – aktueller denn je!
„Die Tatsache, dass die Menschen mit 2 Augen und 2 Ohren, aber nur mit einem Mund geboren werden, läßt darauf schließen, dass sie zweimal so viel sehen und hören als sie reden sollten.“ (Marie de Sévigné)
Damit wir möglichst viel empfangen können, hat Mutter Natur unsere sehr individuellen Ohrmuscheln konstruiert. Wie eine Satellitenschüssel fangen sie Schallwellen auf, um sie über den Gehörgang zum Trommelfell weiterzuleiten. Bis hierhin sind wir im äußeren Ohr. Das Mittelohr verstärkt den aufgefangenen Reiz: das Trommelfell mit den 3 Gehörknochen Hammer, Amboss und Steigbügel. Es gibt dort auch 2 kleine Muskeln, die zu starke Reize dämpfen können. Allerdings ist ihr Wirkungsbereich auf sehr laute Geräusche nicht mehr ausgelegt. „Der Steigbügel“ gibt die Schwingung an die erbsengroße, mit einer Flüssigkeit gefüllte Schnecke weiter. Hier erfolgt die Verbindung zu Gehirn über den Hörnerv. Seine erste Passagestelle liegt in unserem ganz alten Gehirnteil, wo das Geräusch auf Bedrohlichkeit überprüft wird. Hier kann ganz schnell umgeschaltet werden auf unsere Muskeln.
Eine Prüfung des Geräusches auf der Gefühlsebene ist superwichtig. Z.B. Frauen mögen Männer mit einer sonoren, tiefen Stimme. Die Natur wertet diese als Zeichen für einen hohen Testosteronspiegel und damit eine gute Zeugungsfähigkeit. Frauen mit hohen schrillen Stimmen werden dagegen als nervig, Zicke und nicht als kompetent abgestuft (gilt auch für männliche Objekte).
Es kommt so viel Input auf die Ohren, dass sich manchmal ein „kleiner“ oder größerer Mitbewohner/in im Ohr einnistet, der nicht abstellbare Geräusche produziert. Ca. 3 Mio. Menschen in Deutschland haben so einen unsichtbaren Mitbewohner. Nur für den Wirt/in hörbar, in deren Ohr er sich eingenistet hat. Der Fachbegriff dafür lautet Tinnitus. Die wahrgenommenen Geräusche kommen nicht von einer äußeren Schallquelle, sondern entstehen in den meisten Fällen im Gehirn. Oder werden auch durch Verspannungen an der Halswirbelsäule ausgelöst.
Dieser ungebetene Gast kann sehr, sehr unangenehme Laute von sich geben und wirklich nerv-tötend sein. Piepsen, Brummen, Rauschen, gleichförmig oder auch rhythmisch pulsierend, im Hintergrund – immer anwesend, besonders störend, wenn man selbst in der Ruhe ist, schlafen möchte.
Beim akutem Tinnitus treten diese Geräusche plötzlich auf und verschwinden innerhalb von 3 Monaten genauso plötzlich wieder. Als chronisch wird der Tinnitus bezeichnet, wenn diese Geräusche länger als 3 Monate wahrgenommen werden. Manchmal ist der Tinnitus das begleitende Symptom zu einem Hörsturz.
Es gibt viele Therapieversuche, doch keine eindeutige Empfehlung, da auch die Ursachen vielfältig sein können. Ein Trauma kann Auslöser sein oder andere Begleiterkrankungen, Ohrschmalzpfropfen, extreme Lärmbelastung, Blutdruck, Erkrankungen des Ohres selbst, psychische Faktoren. Es macht auf jeden Falls Sinn, auch die Halswirbelsäule und die Kiefermuskulatur bei der Spurensuche mit einzubeziehen. Genauso wie auslösende äußere Faktoren und Stressoren in der Lebensgestaltung. Auf der emotionalen Ebene wird Tinnitus mit dem Thema Druck verbunden. Druck, den man sich selbst erzeugt durch zu hohe Ziele, zu viele Termine, zu viele Lasten. Druckausgleich kann mit entspannenden Verfahren mittelfristig helfen. Das Geräusch nicht mehr als Feind zu deklarieren, sondern wie im Auto den Blinker als Warnung, als Hinweis auf eine einzuleitende Richtungsänderung nimmt oft viel Leidensdruck heraus, der entsteht, wenn sich das Geräusch nicht so einfach abschalten lässt und ein Gefühl der Hilflosigkeit entsteht.
Vielleicht greift der Körper zu diesem deutlichen Mittel, weil wir ihm, wenn er leiser anklopft, kein Gehör schenken. Ganzheitlich sein Leben zu überprüfen und Stück für Stück sinn-voller auszurichten, vielleicht will ja das Wesen im Ohr mitteilen. Liebevoll der Dirigent für den Klang im Ohr zu werden durch gesündere Lebensweise, könnte eine gute Möglichkeit sein. Und immer ist das Gespräch mit der Natur hilfreich, aufbauend und entspannend.
Und vielleicht geht das Wesen im Ohr wieder, weil es nicht mehr gebraucht wird! Und es kommt eine Zeit, in der das Gras wieder beim Wachsen gehört wird.